Am 27. April mittags und 28. April um 1 Uhr nachts kommt der Todeszug in zwei Teilen in Dachau an
Ein Zug von Sterbenden und Toten erreichte Dachau. 2.310 tote Häftlingte, dazwischen 816 Überlebende. (Die Zahlen sind bestätigt durch die Liste der SS-Lagerverwaltung und eine polnische Organisation.)
“Wer noch lebt, soll die Hand heben.”
Tote und noch lebende Körper liegen verkeilt durcheinander. Viele haben nicht mehr die Kraft herauszukriechen.
Da ruft ein Kamerad, der aus dem Lager gekommen war, um zu helfen: “Wer noch lebt, soll die Hand heben.”... und 2 Tage später holen amerikanische Soldaten noch einen polnischen Häftling lebendig aus einem Waggon.
Beim Anblick dieser Bilder unten denke ich an die einfachen sich wiederholenden Worte des Überlebenden Dr. Jerzy Fajer, die er bei der Gedenkfeier 2005 in Nammering zu uns gesprochen hat:
“Ja, ja selbstverständlich das war Ende des Krieges, Hunger war überall. Die deutschen Soldaten haben gehungert, nur ich möchte sagen, die Häftlinge ja das war Absicht, dass wir hungern, -- ja das war Absicht, dass wir hungern.”
Hunger - ein Mittel zur Vernichtung von Hunderten von Menschen!
Bertrand (gekürzt): Die Ankunft im Lager Dachau
Wir kommen um 1 Uhr morgens in der Nähe des Konzentrationslagers Dachau an; bis zum Lager sind es noch 500 m, der Zug fährt jedoch nicht in das Lager hinein. Unsere Kameraden des ersten von Nammering abgefahrenen Teilzuges sind am Vortag im Laufe des Nachmittags eingetroffen.Wir lassen in den Waggons hunderte von Leichen und Sterbenden zurück.
Mit völlig erstarrten Gliedern und restlos entkräftet fallen wir aus den Waggons und lassen uns, dem Verdursten nahe, auf die Knie fallen, um das schlammige Wasser der Pfützen aufzulecken. Wir müssen uns gegenseitig stützen, als wir das Lager betreten und sind dem Tod näher als dem Leben. Zunächst werden wir in den Waschraum gebracht, wo wir zu warten haben; von diesem Moment an verliert sich alles im Nebel, da sind Bilder, wie wir auf dem Zementboden sitzen; wir sind bis auf die Knochen abgemagert; wir leiden nicht einmal mehr, wir sind völlig entkräftet.
Unsere Baracke ist überbelegt, eine wahre Räuber- höhle, wir leiden alle an der Ruhr und haben Typhus, der aber noch nicht offen ausgebrochen ist; ob wir überleben werden oder nicht, steht auf des Messers Schneide. Die Befreiung des Lagers durch die amerikanischen Truppen am 29. April, gegen 17 Uhr 30 erleben wir in einem Zustand völliger Lethargie; wir haben körperlich weder die Kraft uns zu freuen noch die Kraft, ein paar Schritte zu gehen, um zu beobachten, wie die SS die Wachtürme verlässt.
ausführlich: Bertrand, Der Todeszug nach Dachau
Gleb Rahr (er war im ersten Zugteil):
Ankunft am 27. April und die Befreiung durch Amerikaner am 29. April
Am 27. April kamen wir gegen Mittag in Dachau an. Wir warnten uns gegenseitig, nicht gleich viel zu essen. Wir waren ja seit 22 Tagen ohne Nahrung, wenn man vom Kommiss-Brot in den ersten zwei bis drei Tagen und einigen Kartoffeln in Nammering absieht. Doch als wir im Quarantäneblock (Baracke 27) einquartiert waren und große Kanister mit einer dicken Suppe vor uns dampften, gab es keinen Halt. Als wir unter der am Tor angebrachten Schrift "Arbeit macht frei" hindurchmarschierten, wurden wir gezählt. Wir waren in diesem Zugteil 1.300. Die Toten waren teilweise in Nammering verscharrt oder verbrannt, eine große Anzahl Leichen war in den letzten Waggons unseres Zuges gestapelt. Sie fanden später ein Gemeinschaftsgrab in Stadelheim auf dem Friedhof Perlacher Forst.
Am 28. und 29. April durften wir nicht aus den Baracken. Irgendwo wurde geschossen. Kugeln sausten in den Lüften über uns. Am 29. April gegen sechs Uhr abends lag ich im Halbbewusstsein auf den kahlen Brettern meines Bettgestells, als ich von einem Schrei aufgeweckt wurde. Der Schrei wuchs an: A-a-a-ah! Hinter dem Stacheldrahtzaun hatten sich die ersten Amerikaner gezeigt. Der sie zuerst gesehen hatte schrie. Dann schrieen Hunderte, Tausende, wir alle 32.000 die noch am Leben waren: Ah-a-a-ah!
ausführlich: Gleb Rahr, Der letzte Transport
''Das schrecklichste Bild, das ich jemals gesehen hatte''
Am Nachmittag des 29. April 1945 rücken Soldaten der US-Armee zum KZ Dachau vor. Sie entdecken noch bevor sie das Häftlingslager erreichen den Güterzug auf den Gleisen in der heutigen Friedenstraße vor dem Tor: Es ist der "Todeszug" aus Buchenwald.
Leutnant Bill Cowling schrieb in einem Brief nach Hause: "Als wir die Schienen überquerten und zurück in die Wagen schauten, bot sich uns das schrecklichste Bild, das ich jemals gesehen hatte. Die Wagen waren voll mit Leichen. Die meisten waren nackt, alle bestanden nur aus Haut und Knochen. Viele hatten Schusslöcher im Hinterkopf."
Weiterfahrt, Ankunft und Befreiung in Dachau
Von Hans Hübl
Einige Waggons waren mit Leichen angefüllt. Krank und völlig abgemagert konnten viele Gefangene nicht mehr selbst laufen und mussten getragen werden. Robert Antelme schreibt in seinem Buch "Das Menschengeschlecht" aus der Sicht des Augenzeugen: "Diejenigen, die mit dem Buchenwaldtransport gekommen sind, sind die schwächsten. Manche, die man zum Duschen geführt hat, konnten sich unter dem Wasserstrahl nicht aufrecht halten und haben sich auf den Zementboden gelegt. Andere waren, falls das überhaupt noch möglich ist, noch schwächer, und Krankenpfleger hoben sie hoch und tauchten sie in Wasserzuber, wie man es mit Kindern tut."
Nach ihrer Ankunft kamen die Häftlinge, der mitgebrachten Krankheiten und des Ungeziefers wegen, in den Quarantäneblock des Lagers. Auch in den Tagen danach sind noch viele an den Folgen der unmenschlichen Haftbedingungen gestorben. Am Sonntag, den 29. April 1945, wurde das Konzentrationslager Dachau von den Amerikanern befreit. Unter einem Leichenberg in einem der abgestellten Waggons wurde von einem amerikanischen Soldaten ein völlig entkräfteter Pole noch lebend geborgen.