Lazarro Levi hat die Aussagen von 8 italienischen Überlebenden zusammengefasst
''Vernichtungstransport'' von Lazarro Levi
Lazarro Levi war ein italienischer Jude aus Trieste. Diesen Bericht hat er am 29.Juni 1945 geschrieben aufgrund mündlicher Aussagen von:
- Giacomo Comegna
- Luigi Cacace
- Raffaele Levi
- Salvatore Stornioli
- Oliviero Grati
- Giacomo Marcaria
- Nicolö Bruccoleri
- Angelo Sermoneca
(Übersetzung aus dem Italienischen: Claudia Mager)
"Du Glücklicher bist schon tot" von Lazarro Levi
Das Lager Buchenwald befindet sich etwa sieben Kilometer von der Stadt Weimar entfernt. Wie in den anderen Lagern waren auch in diesem die Quarantäneblocks die schlechteren. Die Verschläge zum Schlafen waren vier Stockwerke hoch anstatt wie anderswo drei, und in einem Raum von zwei Meter Breite mussten 16 Personen leben! Die Baracken waren schmutzig und derart schlecht, dass es hereinregnete. In jeder Baracke befanden sich im Durchschnitt 1600 Personen. Diese Verschläge wurden "Box" genannt. Diejenigen, welche aus Schwäche, Hunger, Erschöpfung, wegen Schlägen, Durchfall, Typhus oder anderem starben (und es waren täglich sehr viele), wurden auf ihren ärmlichen Lagern noch 24 Stunden gelassen.
Lebende und Tote lagen nebeneinander. Die Leichen wurden dann auf die Straße neben dem Block transportiert und blieben dort ganze Tage liegen bis zur Verwesung, während die Deportierten selber sie hätten wegschaffen können, da es sich um Quarantäneblocks handelte, das heißt um Baracken, die von einem Gitternetz umgeben waren. Aber der Alptraum des Hungers hatte einen so schrecklichen Höhepunkt erreicht, dasss manchmal die Deportierten selbst die Leichen in den Betten versteckten, um deren Lebensmittelrationen genießen zu können. Auf den abgerissenen Verschlägen gab es weder Strohsäcke, noch Stroh, noch Decken, es war sogar verboten, die lichten nackten Holzbretter mit Lumpen zu bedecken. Die Bretter waren faulig; sie brachen, so dass Bretter und Menschen auf die unterhalb befindlichen stürzten. Deshalb, sei es wegen der Gefahr, versuchten alle, sich in den oberen Stockwerken zu sammeln.
Alle waren nackt und bloß bei einer schrecklichen Kälte. Im Quarantäneblock Nummer 51, als Ende Februar bei den Verschlägen die Aufstockung auf vier Stockwerke gemacht wurde, wurden alle "Burgen" demontiert und die Menschen verbrachten eine Woche lang die Nächte im Freien. In den jüngsten Zeiten ging niemand mehr in Buchenwald zum Arbeiten, weil die Kriegsfronten zu nahe waren. Die Ernährung war wie in allen anderen "Lagern" folgendermaßen: schmutziges Wasser am Morgen (so genannter "Kaffee": 240 Liter für 1600 Personen), ein Liter Suppe am Mittag (viel Wasser und wenige Scheiben Rüben oder anderem Gemüse), 150 Gramm Brot am Abend, als Beilage ein Stück so genannter "Salami" oder Margarine aus Kohle. Am Abend wurde nie Gemüsesuppe ausgegeben.
Abfahrt und Reise. Wegen des Nahens der sowjetischen Truppen von der einen und der englisch-amerikanischen Truppen von der anderen Seite veranlassten die Deutschen die Räumung des Lagers Buchenwald in Gruppen. Die erste, die wegfahren sollte, war am 6. April '45 eine Gruppe Juden; es handelte sich um 4000 Personen, die zu Fuß aufbrachen; es sind keine Verbindungen zu irgendeinem Ort bekannt.
"Unsere Staffel von etwa 5000 Personen" - erzählen die wenigen Überlebenden "war die zweite, die abfahren sollte (8. April '45). Während sie vor dem Eingangstor auf und ab ging, überprüfte die SS uns und fragte uns mit Freundlichkeit (etwas für uns absolut Unglaubliches), ob wir uns in der Lage fühlten, die Beschwerlichkeiten der Verlegung auf uns zu nehmen. Wer sich nicht dazu in der Lage fühlte, ging aus den Reihen heraus und kam gesondert; dann ließ man ihn in der Nähe des Krematoriums setzen... Ausgehend vom Schicksal der Kräftigen kann man sich dasjenige der Entkräfteten vorstellen.
Wir zurückbehaltenen Kräftigen, oder das, was wir um jeden Preis sein wollten, wurden in Kolonnen zu 100 pro Gruppe eingeteilt und im Eilschritt nach Weimar gebracht. Diesen Tag wurde uns nichts mehr zu essen gegeben, fuhren wir mit leerem Magen und leeren Händen ab. Die Straße durch den Wald nach Weimar war überhäuft von Leichen und von Blut besudelt: Tote mit von Pistolenschüssen zerfetzten Schädeln waren so ziemlich überall liegen geblieben. Es waren die Reste der Kolonne von 4000 Juden, die uns vorausgegangen waren. Nun kannten wir unser Los! Weil er eine Rübenschale sah, versuchte der älteste der Geschwister Levi die Reihe zu verlassen, um sie aufzuheben; auf ihn wurden zwei Gewehrschüsse abgefeuert, die glücklicherweise ins Leere gingen. Ein junger Hüne, der in der Nähe von Comegna war, war im Begriff, sich eine Zigarette zu rollen: er wurde von einem SS-Mann herausgeholt, in den die Straße entlang führenden Kanal geworfen und mit Gewehrschüssen getötet.
Viele unserer Kameraden wurden so die ganze Strecke entlang niedergemetzelt. Am Bahnhof von Weimar angekommen wurden wir auf Viehwaggons verladen: 105 in jeden offenen Waggon, und 70 bis 80 in die geschlossenen Waggons; aber diese letzteren hatten es gleichzeitig schlechter, weil sie erstickten, da die beiden äußerst engen kleinen Fenster für die Bedürfnisse von so vielen Menschen nicht ausreichend waren. Noch immer wurde uns nichts zu essen gegeben; diejenigen von uns, die aus Baracke 51 kamen, hatten seit 48 Stunden keine Nahrung, weil man in diesem Block, mit der Entschuldigung der Abfahrt, die Tagesrationen noch nicht verteilt hatte.
Wir blieben in den Waggons eingeschlossen stehen; nachmittags, nachts und den ganzen folgenden Tag bis Mitternacht. Am ersten Tag wurden uns drei Kartoffeln pro Person gegeben, 150 Gramm Brot und ein Stückchen Margarine. Vor der Abfahrt gab man uns noch drei Kartoffeln, aber dies reichte nicht für alle und viele Waggons blieben ohne.
Wasser konnten wir nicht haben - wegen der Bombardierung - sagten sie. Während der ersten Tage der Reise waren die amerikanischen Flugzeuge immer über uns, aber wir wurden nicht angegriffen. Am dritten Tag geruhten sie, uns ein Kommissbrot für 10 Männer zu reichen und einen kleinen Käse pro Kopf. In jedem Waggon befanden sich zwei SS-Männer, ein weiterer hielt sich im Bremserhäuschen des Bremsschaffners auf; aber es waren die SS-Zeichen abgenommen und unter der Militärkleidung trugen sie Zivil. Außer der SS befand sich in jedem Waggon auch ein internierter .Anführer', ausgewählt von der SS selbst wegen seiner Qualität als Schläger. Wenn einer nach den Hieben ein Jammern entschlüpfen ließ, dann kam einer der deutschen Soldaten und schlug mit dem Gewehrkolben zu. Wenn jemand fragte wegen irgendeines Bedürfnisses oder im Delirium klagte (wir litten unter derartigem Durst, dass wir alle die Lippen mit Krusten bedeckt hatten), dann wurde er auf dem Fußboden ausgestreckt, den Kopf eingehüllt in eine Decke, und dann setzte sich einer auf diesen, bis der Unglückliche erstickt war.
In anderen Waggons bekamen die Sterbenden Hände und Füße hinter den Rücken gebunden und wurden in eine Ecke des Waggons geworfen, wo sie nach wenigen Stunden starben. Weil sich manche Stimme erhob, um um Wasser zu bitten, schoss die SS in die Gruppen, und weitere Tote und weiterer Schrecken gesellten sich zu unserer tragischen Karawane. In den Waggons waren Männer aller Nationalitäten gemischt. Am Abend nahmen wir die Leichen unserer Landsleute und trugen sie in einen hinzugefügten Waggon am Ende des Zuges.
Alle zwei bis drei Tage war der Waggon voll, dann wurde er abgehängt und durch einen anderen ersetzt. In einem unserer Waggons waren zwei polnische Brüder, von denen der eine starb. Der Überlebende wollte die Leiche selbst in den Leichenwaggon tragen und schien glücklich: .Glücklicher, du' sagte er, ,du bist tot und hast es ausgestanden!' Frauen in der Militäruniform der SS überwachten den Zug. Beim Anblick von uns Schreckgespenstern, die wir aus jedem Waggon Unmengen von Toten zogen, konnten sie die Emotion nicht beherrschen; eine von ihnen wurde ohnmächtig vor uns.
Von Weimar aus war der Zug auf die Tschechoslowakei zugesteuert. Während der Fahrt zur Grenze war uns den einen Tag etwas zu essen gegeben, den anderen Tag nicht. Aber als wir dieses Land durchquerten, stoppten sie uns die Tagesrationen mit der Entschuldigung, dass man gedacht habe, die Bevölkerung würde uns Nahrung zukommen lassen.
In der Tat zeigten sich das Mitleid und die Freigebigkeit dieses Volkes in einem solchen Maße, dass man keine Worte finden kann, um sie zu beschreiben. Trotz aller Verbote, Drohungen und Handlungen der SS, bildete die tschechische Bevölkerung Spalier beim Passieren unseres Zuges, sie umringte ihn an den Haltestellen und weinte beim Anblick unserer leichenähnlichen Körper, unserer durchsichtigen, vom Bart hässlichen Gesichter, in denen nichts Lebendiges war außer den Riesenaugen von Wahnsinnigen, voll von Entsetzen. Die Mütter weinten, als ob wir ihre Männer wären; die jungen Mädchen, die Alten, die Kinder, die Männer, alle hatten die Augen voll Tränen und versuchten, auf unsere Waggons all das hinaufzuwerfen, was sie zum Essen finden konnten. Während wir an einer Fabrik
vorbeikamen, warfen uns die Arbeiter und Arbeiterinnen ihre Vesperbrote zu, ebenso die Schulkinder.
Aber für uns war das noch schlimmer, weil uns die SS beim Anblick so viel unbeugsamer Solidarität die Zuteilung der regulären Lebensmittel stoppte (dazu waren viele Waggons völlig verschlossen, das heißt, wir konnten nichts von der Bevölkerung bekommen). Sie schoss wie wild auf die Menschenmenge, die gerade darum kämpfte, irgendein Päckchen zu bekommen, das in den Waggon gefallen war. In jedem Waggon gab es fünf oder sechs Tote oder Verwundete.
Nun war die Anzahl der Lebenden dieses tragischen Konvois sehr reduziert. Zu den übrigen Gründen der Sterblichkeit kam noch der Regen hinzu, der uns bis auf die Haut durchweichte; während der Nacht erlagen die Schwächsten der Feuchtigkeit und der Kälte. Eines Tages schüttete Raffaele Levi ein Glas Urin aus dem Waggon (sie erlaubten nämlich ganze Tage nicht, hinauszusteigen, um unsere Notdurft zu verrichten); nun stürzte sich einer der Wachposten der SS, ein junger Pole mit den unehrlichen Augen eines Banditen, auf ihn und begann auf seinem Körper eine infernalische Sarabande(Tanz), indem er mit den Nagelstiefeln auf ihn trat in Gegenwart seines Bruders Lazarus. Dieser versuchte, durch die Leiden des Bruders wie wahnsinnig geworden, die wilde Furie am Mord zu hindern, indem er diesen am Bein packte. Wenn er es nur nicht getan hätte! Er erhielt einen Tritt mitten ins Gesicht mit den schweren Militärstiefeln; er hatte den Mund voll Blut, zwei Zähne zerschlagen und andere verschoben. Raffaele blieb am Boden liegen, praktisch bewusstlos, den Kopf voll Blut, die Rippen gebrochen.
Unser Zug wurde auf ein Abstellgleis geschoben und jedem von uns wurden zwei oder drei Kartoffeln gegeben. Die SS, wütend gemacht durch den uns (und ihnen) bereiteten Empfang durch die tschechische Bevölkerung (einer hatte sogar in ihre Richtung gespuckt), schlug und beleidigte uns, während wir vorbeigingen, um die Kartoffeln zu nehmen. Wir befanden uns seit 18 Tagen auf der Reise. Während wir hielten, kamen die amerikanischen Flugzeuge und begannen uns zu bombardieren. Der Wirbel zog sich etwa 20 Minuten hin durch die Schuld der Deutschen, die dem Feuer antworteten, als seien wir ein Militärkonvoi. Tote reihten sich an Tote. Als das Feuer aufhörte, trugen wir aus den Waggons insgesamt 62 Tote und Verwundete; letzteren wurde von der SS durch Pistolenschüsse ein Ende gesetzt. Wir wurden alle auf geschlossene Waggons verladen, von den Deutschen selbst Strafwaggons genannt, und es begann eine zusätzliche Folter, die den größten Alptraum unseres Lebens darstellt.
Vor dem Einsteigen nahm man zunächst eine äußerst genaue Untersuchung vor, indem man uns sogar die Gürtel und die Esslöffel abnahm. Bei zwei jungen Franzosen wurden am Körper eine Rasierklinge und ein Taschenmesser gefunden; die beiden Unglücklichen bekamen die Hände hinter den Rücken gebunden und wurden im Waggon von drei bis sieben Uhr nachmittags gelassen. Man ließ sie dann gemeinsam mit zwei Russen aussteigen, die angeklagt waren, einen Überfall auf den Wachposten angestiftet zu haben: die fünf jungen Männer wurden vor unser aller Augen erschossen. Dann ließ man uns wieder in die Waggons einsteigen. Wir mussten bis acht Uhr in der Reihe stehen, mit den Knien eng an den Körper gelegt. Inmitten all dieser Beine musste man einen Leidensgefährten aus der Reihe davor festhalten; denjenigen aus der ersten Reihe ging es besser, weil sie niemanden vor sich hatten, den sie festhalten mussten, aber sie bekamen früher und leichter als die anderen die Tritte von der SS ins Gesicht und die Stockhiebe der .Anführer'. Wir mussten immer in absoluter Ruhe ausharren. Während des Tages waren wir nur wenig in Unruhe, aber während der Nacht kam plötzlich der Zusammenbruch: die Schwächsten hielten nicht stand und fielen; entkräftet begannen sie zu phantasieren.
Eines Nachts schrie ein italienischer Kamerad, der nicht mehr konnte: 'Wachposten erschieße mich!' Ihm wurde der Kopf in ein Jackett gehüllt und ein Pole setzte sich darauf, und dort blieb er, bis der Unglückliche seinen letzten Atemzug getan hatte. Wegen eines Streites wegen des Platzes schoss die SS auf die Männer, und Stornioli hatte eine Kugel im Fuß, und er ist davon noch nicht geheilt. Wir blieben noch fünf Tage ohne auch nur eine Kartoffelschale zu essen; am sechsten Tage gaben sie uns drei rohe Kartoffeln!! Und die Zahl der Menschenopfer nahm zu. Während einer zweiten Bombardierung flohen Wachposten; so konnten wir, trotz des Krachs der Explosionen, uns ein wenig ausstrecken und schlafen. Aber wir wurden mit Stockhieben von der SS und den Anführern geweckt. Glücklicherweise forderte das Bombardement keine Menschenleben.
Auf dem Abstellgleis blieben wir sechs Tage stehen. In den ersten beiden Tagen hatten wir pro Tag einen halben Liter Kohlsuppe ohne Salz und ohne irgendein Gewürz. In den vier folgenden Tagen absolut nichts. Dann wurde der Konvoi geteilt: ein Teil fuhr nach Dachau ab, eine Gruppe mit unbekanntem Ziel, und die letzte Gruppe blieb auf dem toten Gleis noch zwei Tage. Der Konvoi nach Dachau war drei Tage unterwegs und kam am 27. April an seinem Bestimmungsort an. 21 Tage nach der Abfahrt von Buchenwald. Zum Essen wurden insgesamt drei rohe Kartoffeln für jeden ausgeteilt. Kein Wasser, - um den Durchfall zu vermeiden', sagte die SS. Wenn wir jeden Abend aus den Waggons hätten aussteigen können, um unsere Bedürfnisse zu verrichten, aber der größte Teil stieg nicht aus, weil die SS die Gelegenheit wahrnahm, uns zu schlagen, und viele, auf das äußerste Kräfteminimum reduziert, beim Hinuntersteigen stürzten und sich nicht mehr erheben konnten und an Ort und Stelle ihr Ende fanden.
Wir, von der Gruppe, die auf dem Abstellgleis geblieben war, hatten trockenes und gesalzenes Gemüse zu essen; es hätte gekocht werden müssen, aber es wurde uns roh gegeben und wir mussten es so essen. Da es äußerst stark gesalzen war, verursachte es einen unlöschbaren Durst. Der Zug hielt in der Nähe eines kleinen Sees, aber die SS weigerte sich, uns Wasser schöpfen zu lassen, damit wir etwas zu trinken haben. Sie wollten auch den Waggon nicht aufmachen, damit wir zum Durststillen gehen konnten. Der Durst verbrannte uns und im geschlossenen Wagen fehlte auch die Luft; alle waren wie Sterbende und der kleine See voll Wasser und Frische war da vor uns. Nun urinierten einige, trotz des Ekels in eine Blechdose, ließen den Urin abkühlen und absetzen und tranken ihn. Unter ihnen auch Comegna und Stornioli. Natürlich hatten sie sofort Vergiftungssymptome mit Brechreiz; zu ihrem Unglück hatten sie nichts, was sie hätten erbrechen können, da sie seit allzu langer Zeit nichts gegessen hatten und so litten sie schrecklich und glaubten wirklich, nun sei die Reihe an ihnen zu sterben.
Als wir in der Nähe von Dachau waren, kam die SS in die Waggons und ließ von jedem vier oder fünf Männer aussteigen. Sie wurden zum letzten Waggon gebracht, demjenigen mit den Toten, und veranlasst, auf den Haufen Leichen zu steigen. Es wurde ihnen der Befehl zugeschrieen, sich bäuchlings auf die schon verwesenden Leichen zu legen, und dann sangen die Maschinengewehre ihr Lied auf Lebende und Tote.
Wir kamen in Dachau am Morgen des 28. April an; während der Fahrt vom Bahnhof von Dachau bis ins Innere des Lagers stürzten viele völlig erschöpft; von Buchenwald waren 5000 weggefahren; in Dachau kamen insgesamt nicht mehr als 1200 an. Eintausendzweihundert entsetzliche Gespenster, elende Gerippe, nur noch Haut und Knochen ohne einen einzigen Muskel an den Gebeinen, die Köpfe entstellt von Schlägen. Leichname, die nur gehen konnten, indem sie sich gegenseitig stützten, geisterhafte Gesichter, die zu lächeln versuchten. Am Leben, am Leben, wir waren noch am Leben und wir glaubten es nicht. Wir blickten uns um; der größte Teil unserer Leute fehlte. Aber da waren um uns ergriffene Gesichter, neue Gesichter, mit Augen, die von Mitleid und Gemütsbewegung leuchteten. Es waren unsere Brüder aus Dachau, stumm und entsetzt. Auch sie hatten unsagbare Leiden erlitten, umgeben von so vielen ständigen Todesgefahren hatten - ihr Leben geführt.
Inmitten der Gräueltaten waren all diese Menschen hart geworden. Sie wussten nicht, welches ihr und unser Schicksal gewesen wäre; erstaunt bildeten sie Spalier bei unserem Vorbeiziehen und weinten wie die Kinder. Sie hatten so viele schreckliche Ereignisse gesehen und erlebt, aber sie hatten noch nie dem Einzug einer so tragischen Prozession von schrecklichen, gelblichen Totenschädeln ins Lager beigewohnt.
36 Stunden quälenden Entweder-Oders, besonders für uns Italiener, die wir dazu bestimmt waren, zu einem neuen definitiven 'Vernichtungstransport' abzufahren, und dann endlich! die Freiheit. Aber sehr viele unserer unglücklichen Gefährten von Buchenwald starben trotz all der Aufmerksamkeit und Pflege, die ihnen zuteil wurde, vor und während der Ankunft der Amerikaner in den Krankenabteilungen dieses großen und traurig- berühmten Lagers. Vergessen wir sie nicht!"