2015 Gedenkfeier 70 Jahre mit dem Überlebenden Pavel Kohn aus Prag
Es planten 3 gemeinsam: Gemeinde, AG KZ-Transport und IG-Metall Passau
Die IG-Metall Passau errichtete einen neuen Gedenkstein und die AG KZ-Transport baute das neue Gleis der Erinnerung auf.
So kam im Jahr 2015 die Einladung zur Gedenkfeier von der Gemeinde Fürstenstein in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft KZ-Transport 1945 und auch von der IGM Passau.
Die letztere hatte den Überlebenden Pavel Kohn für eine Teilnahme gewinnen können. So wurde die Gedenkfeier heuer wieder zu einer sehr eindrucksvollen und viel beachteten Veranstaltung mit einem neuen Rekordbesuch.
Die Inschrift der Tafel auf dem neuen Gedenkstein der IG Metall lautet:
Ihr seid nicht vergessen - Nie wieder Krieg - Nie wieder Faschismus - Nammering 19. - 24. April 1945
Das neue Gleis der Erinnerung beschreibt ausführlich und in originalen Bildern die Grausamkeiten des KZ-Transports und auch die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung.
1. Teil der Gedenkfeier 70 Jahre: Treffpunkt am Mahnmal (18 Uhr)
Die Gedenkfeier beginnt am Mahnmal selbst, alle Besucher begeben sich entlang des wirklich fein herausgeputzten Bahngeländes am Gleis der Erinnerung vorbei zu dem im Wald gelegenen Mahnmal. Die Gemeinde Fürstenstein hat das Gleis der Erinnerung finanziert.
Anton Mayer aus Tittling spielte mit seiner Klarinettengruppe einige ergreifende Melodien, die beim Gedenken an die grausamen Geschehnisse von damals tief beeindruckten.
Einführung durch Nik Saller von der Arbeitsgemeinschaft KZ-Transport 1945.
Er schilderte in kurzen Ausschnitten die Ereignisse von damals. Dabei las er einige Worte von Dr. Fayer vor. Dieser war vor 10 Jahren hier und hat als Überlebender des KZ-Transportes zu uns gesprochen. In diesem Jahr hielt er sich in Polen auf und konnte deshalb nicht teilnehmen.
Unter Hinweis auf Dr. Jercy Fajer, der heute in Oberaudorf lebt und vor drei Jahren eine Plastikblume am Birkenkreuz abgelegt hatte, wiederholte Saller dieses Zeremoniell am Mahnmal.
Die zentrale Botschaft von Nikolaus Saller: die Erinnerungen wach halten, aber auch die Augen öffnen für gegenwärtige Aufgaben. Er sprach von einem "Ort des vielhundertfachen Sterbens von Menschen, die uns weder dem Namen nach und nicht einmal ihrer Volkszugehörigkeit oder Religion nach bekannt sind".
Von ursprünglich 59 Waggons waren es in Nammering nur noch 54. Saller würdigte die Courage des damaligen Pfarrers Bergmann, der sich gegen alle Drohungen der SS um Essensspenden aus der Bevölkerung bemüht hatte.
Nach dieser einführenden Rede von Nik Saller folgt ein Musikstück von einer Klarinetten Gruppe mit Anton Mayer und danach werden Blumen niedergelegt.
Anschließend folgte eine feierliche ökumenische Andacht
“In einer feierlichen Andacht gedachten Domdekan Dr. Hans Bauernfeind, der evangelische Dekan Dr. Wolfgang Bub - beide aus Passau, der katholische Ortspfarrer Dekan Christian Altmannsperger von Fürstenstein und der evangelische Pfarrer Thomas Plesch aus Tittling der Ermordeten von Nammering.
"Als Kirchen verabscheuen wir die Gräueltaten der Nationalsozialisten", hob Bauernfeind hervor.” (Bernhard Brunner)
2. Teil der Gedenkfeier 70 Jahre: Segnung des Gedenksteins von der IG-Metall
Das Gedenken der Nammeringer an die toten KZ-Häftlinge kennt viele Formen: Die IG Metall stellte nun einen Granitfelsen auf, links neben dem Rednerpult erinnerte ein Birken-Kreuz an die Opfer, wie es schon damals von einem Nammeringer aufgestellt wurde. − (Bernhard Brunner)
Begrüßung durch Robert Scherer, IG Metall
"Die Menschlichkeit mit aller Kraft zu verteidigen, das ist unser Auftrag – besonders an die Jugend", sagte Robert Scherer von der IG Metall in Passau, die besonders in Erinnerung an die vielen in den Konzentrationslagern umgekommenen Gewerkschafter und Sozialdemokraten den neuen Gedenkstein aus Granit aufstellen hat lassen. "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus", gab der Gewerkschaftssprecher als Devise aus.
3. Teil der Gedenkfeier 70 Jahre:
Ansprachen, Rede des Überlebenden Pavel Kohn
Neben den beiden noch verbliebenen Bahnschwellen, über die einst der Todeszug gerollt war und auf denen ein Kreuz aus Birkenholz stand – ähnlich dem Kreuz, das der Nammeringer Ludwig Gartner damals für die ermordeten Häftlinge auf der Totenwiese aufgestellt hatte –, appellierte Bürgermeister Gawlik an die Zuhörer: "Lassen wir uns nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen. Erst dann werden die Seelen der hier vor 70 Jahren unschuldig ermordeten 794 Menschen ihren Frieden finden."
Vom zweifellos dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte sprach Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich. Er beleuchtete die beson-dere Verantwortung des Bezirks Niederbayern, da während der Nazi-Zeit Menschen mit Behin-derung und psychi-scher Erkrankung als minderwertig betrachtet worden seien. Gerade die aktuellsten Ge-schehnisse mahnten zu neuer Wachsamkeit und zu engagiertem Eintreten für die Menschenwürde,
so Heinrich.
Dem Engagement der Arbeitsgemeinschaft KZ-Transport 1945, der Gemeinde Fürstenstein und der IG Metall zollte Landrat Franz Meyer Hochachtung. "Der Landkreis Passau und der Kreistag stehen an Ihrer Seite", versicherte Meyer und gab zu bedenken: "Wenn wir aus der Vergangenheit lernen, können wir in Gegenwart und Zukunft das Richtige tun."
(Texte von Bernhard Brunner)
Worte von Zeitzeugen Pavel Kohn
Zeitzeuge berichtet von seiner ''Todesbahnfahrt''
Am Bahngelände stellte der in Prag gebürtige Jude Pavel Kohn zu Beginn seines ergreifenden Vortrags klar, dass er nicht Mitleid erwecken wolle, sondern darüber sprechen, "was Menschen anderen Menschen antun können". Der Zeitzeuge, zusammen mit einer Cousine einziger Überlebender seiner Großfamilie, verglich den Horror des Nammeringer Todeszugs mit eigenen Erlebnissen während einer ähnlichen "Todesbahnfahrt" in das Ghetto in Theresienstadt. Von 15000 jugendlichen Häftlingen seien nur 150, darunter er, zurückgekehrt, erzählte der heute in Triftern lebende Publizist.
"Meine Transportnummer habe ich bis heute nicht vergessen. Sie lautete: 676", bekundete Kohn. Er schilderte die zwei- bis dreitägige Fahrt mit 5000 Leuten in Viehwaggons, darin kaum Platz zum Sitzen, nichts zu essen und zu trinken, erbärmlicher Gestank. "Viele sind beim Halt einfach herausgefallen." Nach den insgesamt drei Transporten nach Auschwitz-Birkenau seien offenbar alle anderen vergast worden, so Kohn, der bei der Ankunft im KZ die Nummer A-299 eintätowiert bekam – mit der Folge, dass Namen nicht mehr benutzt wurden. Nachdem er seine Mutter für immer aus den Augen verloren hatte und nach dem Gang seines Bruders in die Gaskammer sei er mit gerade 15 Jahren auf sich allein gestellt zurückgeblieben.
Beinahe gespenstisch hallten die Worte Kohns über Lautsprecher die frühere Bahntrasse in Nammering entlang, als er den zweiwöchigen Todesmarsch über 150 bis 200 Kilometer – Tag und Nacht unter Aufsicht der Wehrmacht – nach der Verjagung aus dem Lager in Erinnerung rief. "Wer nicht mehr konnte, der wurde erschossen." Nach der Befreiung durch die US-Armee sei er mit einem Rotkreuz-Bus nach Prag zurückgekehrt und habe damals nur noch 30 Kilogramm gewogen. Seine Erlebnisse hat Kohn in Büchern für die Nachwelt aufbewahrt – gegen das Vergessen, "damit sich das Schreckliche nicht wiederholt".
(Texte von Bernhard Brunner)
Zum Abschluss 794 Lichter zum Gedenken
Von allen Teilnehmenden wird für jeden der 794 Toten eine Kerze angezündet und um den Stein herum abgelegt. Es ist der neue Gedenkstein, den die IG Metall aufstellen ließ. Dieses Zeichen des Gedenkens sollte auch ein Zeichen des Friedens für alle Welt sein.